Quelle: Stimme.de
Region Heilbronn - Von unserem Redakteur Steffen Heizereder
In einem Notfall helfen? Das ist selbstverständlich. Sollte man meinen. Die Erfahrungen von Notärzten und Rettungssanitätern zeigen aber ein ganz anderes Bild. Viel zu selten beginnen Ersthelfer im Ernstfall mit der Reanimation des Patienten.
Das geht aus Zahlen des Deutschen Rates für Wiederbelebung hervor. Demnach erleiden in Deutschland jedes Jahr rund 75.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand, nur 5000 überleben. In gerade einmal 17 Prozent der Fälle haben Ersthelfer mit der Wiederbelebung begonnen.
Todesursache
Der plötzliche Herztod ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Nach Angaben von Bernd Böttiger, Direktor in der Uni-Klinik Köln, könnten jedes Jahr 10?000 Menschen gerettet werden, wenn mehr Ersthelfer versuchen würden, die Patienten zu reanimieren, ehe der Notarzt eintrifft.
"Es gibt Notfälle, in denen zehn Minuten deutlich über Leben und Tod entscheiden", sagt Ferdinand Petzold, Notarzt am SLK-Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn. Bei einem Herzstillstand nimmt das Gehirn bereits nach drei bis fünf Minuten Schaden. Nach etwa zehn Minuten tritt der Hirntod ein. Die Hilfsfrist, innerhalb der die Rettungskräfte vor Ort sein müssen, beträgt jedoch 15 Minuten. "Wir sind darauf angewiesen, dass Unfallzeugen bereits mit der Ersten Hilfe begonnen haben", sagt Ralf Hilbig, ebenfalls Notarzt am Gesundbrunnen.
Nach Angaben der beiden Notärzte hätten viele Menschen Angst, Fehler zu begehen. "Es ist aber immer besser, etwas zu machen, als nichts zu machen", sagt Petzold. Bei vielen Menschen liege auch eine Ekelbarriere bei der Mund-zu-Mund-Beatmung vor. Dabei ist das zunächst gar nicht immer notwendig. Viel wichtiger sei die Herz-Rhythmus-Massage, sagt Bernd Böttiger. Etwa 100 bis 120 Mal pro Minute muss dabei der Brustkorb des Patienten fünf bis sechs Zentimeter tief eingedrückt und danach entlastet werden − und zwar bis zum Eintreffen der Rettungskräfte.
Uwe Amann ist häufig einer der ersten am Einsatzort. Der 30-Jährige ist Teil der Helfer vor Ort in Neudenau. Die elfköpfige Gruppe überbrückt die Zeit zwischen dem Eintreten des Notfalls und dem Eintreffen der Rettungskräfte. Häufig sind die ehrenamtlichen Helfer bereits nach zwei bis drei Minuten beim Patienten. Viele Menschen seien in der Notsituation überfordert, erzählt Amann. "Wir sind oft schon froh, wenn eine gute Betreuung da ist", sagt Amann. Dabei seien es auch Kleinigkeiten, die bereits viel helfen, etwa wenn beengende Kleidungsstücke abgenommen werden. Häufig werde auch kein richtiger Notruf abgesetzt. Gerade auf dem Land scheuten sich die Menschen davor, gleich die Leitstelle zu alarmieren und versuchten häufig zunächst den Hausarzt zu erreichen, sagt Amann.
Schulunterricht
Bernd Böttiger sieht die skandinavischen Länder als Vorbild in Sachen Erste Hilfe. Dort wird Wiederbelebung wie selbstverständlich in der Schule gelehrt. Mit Erfolg: In rund 60 Prozent aller Notfälle, und damit mehr als dreimal so häufig wie in Deutschland, beginnen Ersthelfer in Skandinavien mit der Wiederbelebung. "Wir sollten dafür sorgen, dass auch unsere Kinder in Reanimation ausgebildet werden", sagt Böttiger. Zwei Schulstunden jährlich genügten. "Wenn man das so lernt, dann vergisst man es auch nicht mehr."